20.09.2025: ULLA HAHN’S HILLA WANDELT „DAS VERBORGENE WORT“ IN EINE WORTSTARKE SCHULBIOGRAFIE…

Theaterspaziergang

Schauspielerische Gestaltung: Junges Theater Leverkusen e.V.
Regie: Petra Clemens
Konzept: Verein Leverkusen Kult Tour e.V.
Dramaturgie und fachliche Moderation: Dr. Ellen Lorentz

Es spielten:
Sofia Friedmann
Hannah Braun
Davide Raul Reibaldi
Hanna Nagy
Louis Reichel

Ulla Hahn, die 2001 mit ihrem autobiografischen Roman „Das verborgene Wort” berühmt wurde, hat ein authentisches Bild Leverkusener Schulen gezeichnet, denn sie ist in unserer Stadt in die Berufsschule und ins Gymnasium gegangen. Somit werden wichtige Orte der Stadtentwicklung in den 50er und 60er Jahren beschrieben. Unsere Stadt wurde damals auch für Schüler aus den umliegenden Orten mit berufsbildenden Schulen und weiterführende Schulen ein Zentrum. Im Theaterspaziergang sind dies die Spielstädten live, an denen die Schauspielerinnen des Jungen Theaters Themen und Aufzeichnungen der Autorin darstellen. Anhand von Romanpassagen, Original Kleidung haben die SchauspielschülerInnen das Publikum in diese Zeit versetzt.

Monika Klein: Zurück ins bunte Leverkusen der 1950er Jahre
Rheinische Post, 23.09.2025

Vorbereitungen am Forum
Begrüßung der Teilnehmer an der Skulptur „Kommunikation“
Bunte Kleiderstoffe der Rock-and-Roll-Mode…
…mit brillanten Farben aus Leverkusen

In der Rückblende präsentiert sich Leverkusen zwischen 1955 -1965 als Boomtown im Rheinland. „Ein Chemiewerk mit einer Hand voll Dörfer wird Großstadt“, war 1963 in der FAZ zu lesen, als Leverkusen seinen 100 000 Einwohner begrüßte. Die Stadt bemühte sich damals, die Attribute einer Großstadt zu schaffen.

Gebäude aus dieser Zeit sind das Forum mit Mehrzweck Ausführungsmöglichkeiten, mehrere Schulen am Stadtpark und die kaufmännischen Berufsschulen in der Bismarkstraße. Die Bibliothek, das Stadtklinikum in Schlebusch und der zentrale Bahnhof und Busbahnhof sind weitere Meilensteine.

Die Realschule Am Stadtpark: Eine kaufmännische Ausbildung nach der Realschule galt als realistischer Aufstieg für Mädchen.
Im CD-Gymnasium bereiteten Jungen sich auf die Familienernährerrolle vor.

Vielleicht noch wichtiger als die Gebäude, war der neue Geist und der Wille zum Neuanfang, zur Schaffung der nivellierten Mittelstandsgesellschaft. Bildungsangebote für Arbeiterkinder und vor allem junge Mädchen waren ein zentraler Bestandteil des Neuanfangs.

Ulla Hahn beschreibt recht anschaulich durch ihre Protagonistin Hilla, wie das begabte Mädchen zunächst zaghaft, später mit Unterstützung wohlwollender Lehrer, die neuen Bildungsangebote für junge Frauen, zunächst stolpernd, später zielstrebiger wahrnahm: Realschule, kaufmännische Ausbildung und dann Abitur waren die Stationen, die aus dem Arbeitermilieu führten.

Hillas Mutter war zwar Hausfrau, hatte aber zahlreiche Putzstellen und andere Jobs, damit die Familie über die Runden kam.
Über die Benachteiligungen ärgerte sie sich, der Großvater lehrte sie Wutsteine ins Wasser (hier die Dhünn) zu werfen.

Die rechtlichen Grundlagen wurden auf Bundesebene von engagierten Politikerinnen wie Elisabeth Selbert, der Artikel 2 des Grundgesetzes “Frauen und Männer sind gleichberechtigt” geschaffen. In Leverkusen flankieren drei engagierte Politikerinnen den Fortschritt für Mädchen in Bildung und Beruf. Bertha Middelhauwe, Maria Stommel und Charlotte Mirbach. Zielgerichtet setzen die Politikerinnen aus FDP, CDU und SPD sich für berufstätige Mütter und die Bildung von Mädchen ein. Die Schulentwicklung in Leverkusen war deshalb mehr als der Gebäudebau. Es war der Versuch, soziale Marktwirtschaft als Aufstieg durch Bildung zu gestalten. Konsequent wurden wegweisende pädagogische Lernkonzepte entwickelt, die benachteiligten Schlüsselkinder in der Bismarkstraße durch Lernräume am Nachmittag, Schulküchen, Bibliotheken und kulturelle Veranstaltungsräume unterstützen.

Methodisch Didaktisch ging man in Leverkusen mit einem Lernkontor in der Bismarkstraße einen völlig neuen Weg zur Förderung des komplexen vernetzten Lernens und Handeln in der Berufsschule. Bereits Ende der 50er Jahre konnte eine Schulklasse die verschiedenen Abteilungen eines Betriebs im Lernkontor simulieren. Damit wurde in Leverkusen kaufmännische Bildungsgeschichte geschrieben. Unsere Protagonistin Hilla profitierte vom Bildungsaufbruch, auch wenn in dem Roman der Aufstieg eher der persönlichen Leistung zugeschrieben wird.

Das Lise-Meitner-Gymnasium förderte als koedukative Schule komplexe Denk- und Handlungskonzepte.

Leverkusen war Zuwandererstadt. Die Menschen kamen aus der ganzen Republik, viele aus dem Osten. Es boten sich den Arbeitnehmern im Rheinland gute Chancen, eine neue Existenz aufzubauen. Mitte der 50er Jahre prägte der Konsum das Leben. Am offensichtlichsten war die „Fresswelle“. Bis 1954 waren Deutsche noch untergewichtig. Hilla berichtet, dass für Kinder im Restaurant kein eigenes Essen bestellt wurde, bestenfalls gab es einen kleinen Räuberteller.

10 Jahre war die Mode der Nachkriegsfrauen dunkelblau und schwarz. Dank Burda, C&A und Versandmode wurde die Jugendmode um 1960 bunt und beschwingt. Bayer spezialisierte sich in dieser Zeit auf Materialien für neue Lifestyle-Produkte der Jugend: Bunte Druckstoffe aus Kunstseide, Nylonstrümpfe und elastische Fasern für Dessous und Bademode.

Anfang der fünfziger Jahre verkauften noch fliegende Händler.
Mit der bunten Massenmode wurden Kaufhäuser auch in Leverkusen modern.

Getupfte Tellerröcke, freche Pferdeschwänze, Nylonstrümpfe und rote Lippen prägten das neue Backfisch Fräulein Wunder. Die Mädchen sprengten Konventionen, tanzten ausgelassen Twist und Rock and Roll, eine Gegenbewegung zu den überarbeiteten Trümmerfrauen, die wie Hillas Mutter unentwegt arbeiteten. Auch Hilla mochte dieses neue Vergnügen, wenngleich das Finanzielle Grenzen setzte.

Wir bedanken uns beim Kulturbüro der Stadt Leverkusen, das mit einer Finanzierung zur Realisierung des Theaterspaziergangs beigetragen hat.

An den Schulen wurden Mädchen gefördert, in den betrieblichen Niederungen herrschten noch alte Gewohnheiten.
Schuhwechsel nach dem Spiel.