Gebäude und Einrichtungen des neuen Mittelstandes

Das Bebelhaus in der Neuenhofsiedlung

Schulen und Sporteinrichtungen an der Dhünn

Leverkusen 1900-1930: Prinzipien der Gartenstadtbewegung im Neuenhof und an der Dhünn

Nach dem ersten Weltkrieg erwarb die Stadt Wiesdorf für 1.370.000 Reichsmark von der Familie von Diergardt das Gelände am Neuenhof und der Dhünn. Zwischen 1919 und 1929 entstand unter Leitung des Architekten Fähler die Siedlung Neuenhof als gemeinnütziges Wohnprojekt mit 212 Häusern und fast 500 Wohnungen. Während in den von Bayer geplanten Wohnkolonien eine klare soziale Abgrenzung der Wohnquartiere vorgenommen wurde, plante man in der Weimarer Republik anders. Auf dem 141 ha großen Gelände sollten Menschen mit unterschiedlichen sozialen Voraussetzungen in einem integrierenden Wohnumfeld zusammenleben. Bedürftige, wie Witwen mit Kindern, Kriegsverletzte als auch gutbürgerliche Familien fanden im Neuenhof ein Zuhause. Dementsprechend gibt es kompakte Häuser mit drei Zweiraumwohnungen und Doppelhäuser, die sehr gerne von der gebildeten, aber nicht sehr finanzkräftigen Mittelschicht bewohnt wurden, z. B. Lehrer, Architekten, Ärzte oder Selbständige. Charakteristikum der ursprünglichen Siedlung sind sehr große Gärten, die die Bewohner:innen in die Lage versetzen sollten, sich über ihre Gärten weitgehend selbst zu versorgen.

Wegbeschreibung

Wir starten vor der Christuskirche. Mit dem Rad fahren wir über den Platz Richtung RialtoBrücke zum Bahnhof Leverkusen-Mitte. Hinter der Rialtobrücke fahren wir links zur Y-Fußgänger- und Radbrücke. Auf der Y-Brücke wählen wir die linke Abfahrt Richtung Forum und unter der Bahndurchführung durch. Weiter geht es links entlang der Bahnlinie Richtung Dhünn und Siedlung Neuenhof. Auf der rechten Seite befindet sich der Stadtpark, dier in den 20er Jahren Lunapark genannt wurde. Wir queren die Dhünn, passieren das Sportinternat und kommen zur Siedlung Neuenhof. Am Kriegsversehrtenheim fahren wir rechts die Neuenhofstraße bis zum Kurt-Schumacher-Haus. Von der Tannenbergstraße fahren wir durch den Sportpark, über die Dhünn in Richtung Realschule am Stadtpark. und halten uns links, Von hier haben wir einen guten Überblick über den mit dem Glockenturm verbundenen Schulkomplex. Das CD-Gymnasium wurde in changierendem Klinker im Stil des Bauhauses errichtet.

Hinter der Realschule am Stadtpark biegen wir rechts zur Doktorsburg ab. Der Weg führt über den rechten Abbieger weiter richtung Fahradweg entlang des Bahndamms. Hier fahren wir links und queren die Rathenaustraße. Vor dem Hinterausgang des Bahnhofs biegen wir links und dann sofort wieder rechts zum Elefanten an der Kolonie Johanna ab.

Informationen zu Bauhaus und Gesellschaft

Wir erkennen
in jeglicher lebensrichtigen gestaltung
eine organisationsform des daseins.
wahrhaft verwirklicht
ist jede lebensrichtige gestaltung
ein reflex der zeitgenössischen gesellschaft.
bauen und gestalten sind eins,
und sie sind ein gesellschaftliches geschehnis.
als eine ‚hohe schule der gestaltung‘
ist das bauhaus dessau kein künstlerisches,
wohl aber ein soziales phänomen.

als gestalter
ist unsere tätigkeit gesellschaftsbedingt
und den kreis unserer aufgaben schlägt die gesellschaft.
fordert nicht heute unsere gesellschaft
tausende von volksschulen, volksgärten, volkshäusern?
hunderttausende volkswohnungen?? millionen von volksmöbeln???
arbeiten heißt
unser suchen nach der harmonischen daseinsform.

wir suchen
keinen bauhausstil und keine bauhausmode,
keine modisch-flache flächenornamentik
horizontal-vertikal geteilt und neoplastisch aufgepäppelt.
wir suchen
keine geometrischen oder stereometrischen gebilde,
lebensfremd und funktionsfeindlich …

die neue baulehre
ist eine erkenntnislehre vom dasein.
als gestaltungslehre ist sie das hohelied der harmonik.
als gesellschaftslehre ist sie eine strategie des ausgleichs.
der kooperationskräfte und der individualkräfte.
innerhalb der lebensgemeinschaft eines volkes.
diese baulehre ist keine stil-lehre.
sie ist kein konstruktivistisches system,
und sie ist keine mirakellehre der technik.
sie ist eine systematik des lebensaufbaues,
und sie klärt gleicherweise die belange des
physischen, psychischen, materiellen, ökonomischen.

sie erforscht, begrenzt und ordnet die kraftfelder
des einzelmenschen, der familie und der gesellschaft.

ihre grundlage ist die erkenntnis des lebensraumes
und das wissen um die periodizität des lebensablaufs.
die seelische distanz ist ihr so wichtig
als der in metern meßbare abstand.
ihre gestaltungsmittel sind – bewußt angewendet –
die ergebnisse der biologischen forschung.
weil diese baulehre lebensnah ist,
sind ihre thesen stetig wechselnd;
weil ihre verwirklichung im leben liegt,
sind ihre formen so reichhaltig
wie das leben selber.

Hannes Meyer, 1928 (Leiter des Bauhauses)

Prinzipien der Gartenstadtbewegung

Der Brite Ebenezer Howard hatte 1898/1902 das Prinzip der Gartenstadt (Garden City of Tomorrow) als Gegenentwurf zu den Londoner Elendsquartieren entwickelt. Die Familie Bayer übertrug diese Prinzipien sehr konsequent im Aufbau der „Kolonien“.

Die Kernidee ist, Fabriken aus Städten auszulagern wo das Land billig ist und ein sozialer Ausgleich durch günstiges Wohnen und Ernähren, durch Gärten und Grün, faire angemessene Arbeit und Löhne und eine sanitäre und versorgungstechnische Infrastruktur möglich ist.

Die Voraussetzung: eine fußläufige verkehrstechnische Anbindung an das Eisenbahnnetz. Mit 3 Eisenbahnlinien und dem Rhein mit mehreren Schiffsanlegern erfüllte die Leverkusener Region die Kriterien perfekt.

Epochen der deutschen Gartenstadtbewegung

Ideale Gartenstädte hatten nach Howard ca. 30.000 Einwohner, wie Leverkusen zur Stadtgründung 1930.

In der frühen Gartenstadtbewegung 1900-1918 dominierten strategische Allianzen zwischen Unternehmern und kommunalen Stadtplanern. Siedlungsbau war in der Regel Werkswohnungsbau (Kolonien von Bayer).

In der Weimarer Republik 1918-1933 entwickelte sich der gemeinnützige und genossenschaftliche Wohnungsbau. Gärten sollten Armut und Mangelernährung entgegenwirken, Bildungseinrichtungen den Aufstieg und Wohlstand fördern. In der Architektur hatte in der Weimarer Republik die Bauhausbewegung eine große gestalterische Bedeutung. Der Leverkusener Architekt Wilhelm Fähler entwickelte Mitte der 20er Jahre starke Bezüge zu dieser Gestaltungsrichtung.

Der Neuenhof – eine Siedlung für den Mittelstand

Karte Doktorsburg
Deichweg der heutigen schnurgeraden Dhünn

Die Menschen hatten zuvor in der Wiesdorfer City gelebt, und fühlten sich diesem Stadtteil verbunden. Dies galt insbesondere für die Mitglieder der evangelischen Kirche, die eine Trennung von der Opladener Bielertkirche anstrebten. Die Bewohner der Reformsiedlung galten als engagierte „Freigeister“, die sich für politische kulturelle und soziale Belange der aufstrebenden Industriestadt einsetzten. Herausragende Persönlichkeiten waren Dr. Fritz und Bertha Middelhauve, sowie der Architekt Wilhelm Fähler.

Die Familien wohnten in der Neuenhof-Straße nebeneinander. Zugleich zog die weltoffene und liberale Orientierung der jungen Stadt Wiesdorf weitere Menschen an, die die Betätigungsmöglichkeiten schätzten.

Neben dem liberalen Mittelstand hatten auch die Sozialdemokraten und Gewerkschaften in dieser Siedlung mit dem August-Bebel-Versammlungshaus ihre soziale Verortung. Bis heute erinnern Straßennahmen wie Bebelstraße, Karl-Marx-Straße und Ferdinand-Lasalle-Straße an die Gründungsväter der Sozialdemokraten.

Die Bürger der Neuenhofsiedlung

Am Neuenhof
Am Stadtpark
Kriegerheim

Anekdote: Zeitzeugenbericht Hubert Havenith GESEHENES – GESCHEHENES

Handschriftliche Erinnerungen (aufgezeichnet 1949)

Hubert Havenith absolvierte 1913 eine Zusatzausbildung zum Englisch- und Französischlehrer für die Realschule und arbeite in der Weimarer Republik als Lehrer in der Realschule am Stadtpark.

Mit der Zeit wurde mir klar, dass für meine musikalische Betätigung das kleine Dünnwald nur sehr beschränkten Raum und wenig Entwicklungsmöglichkeiten bot. Unter diesem Gesichtspunkt erschien mir das nahegelegene Wiesdorf mit seinen großen Entwicklungsmöglichkeiten als erstrebenswerter Raum für eine musikalische Betätigung … Als ich im Frühjahr 1910 eine Lehrerstelle an der Volksschule in Wiesdorf … übernahm, war die Gemeinde auf allen Gebieten noch im Stadium des Anfangs. Es ist bekannt, dass das kleine Fischerdorf am Rhein zu einem völlig neuen und andersgearteten Dasein erwachte, als die Farbenfabriken von Elberfeld an den Rhein übersiedelten.

Die Verlegung der Dhünn und die Anfänge des Sportparks

Bis ca. 1900 gab es kein Kataster für Flussauen. Man ordnete großzügige Flächenbereiche zu, in denen die Flüsse sich ihre Wege suchten, und nahm die Veränderungen in Kauf. Mit der Eindeichung und Verkürzung der Dhünn in einem Flussregulierungsprojekt gewann die Gemeinde Wiesdorf ca. 20 % mehr nutzbare Fläche, die auch vermessen wurde. Der Wohnsiedlungsbau und die Errichtung öffentlicher Gebäude wie Schulen, Sportstätten und Gastronomie entlang des Flusses machten das Gelände nach den Prinzipien der Gartenstadt gestaltet zu einem modernen Wohnquartier. Für die künstlich geschaffene Landschaft waren Maßnahmen wie die Verlegung des Flusses, die Aufschüttung des Mühlengrabens und die Verlegung des einmündenden Mutzbachs in Rohre notwendig. Da 1927 in Folge der Weltwirtschaftskrise auch das Wiesdorfer Gemeindesäckel klamm war, wurden Arbeitsbeschaffungsprogramme für die Bodenarbeiten in der Flusslandschaft eingeleitet. Die Aufschüttungsarbeiten wurden im Dritten Reich fortgesetzt, indem das Sportgelände auch für Aufmärsche nutzbar angelegt wurde.

In dem neuen Freizeitgelände am Stadtpark bekamen junge Menschen Gelegenheit, ihre Freizeit sportlich im Stile der 1920er Jahre zu verbringen. Eine besondere Attraktion war die „Suppenschüssel“, ein 1928 von Wilhelm Fähler geplantes kreisrundes Freibad, das von Männern und Frauen genutzt werden konnte. Das Gelände liegt links von der Doktorsburg. 1930 wurde hier ein Schwimmbad errichtet. Ein städtischer Sportplatz, auf dem Wettkämpfe ausgetragen werden konnten, führte Menschen aus unterschiedlichen Bevölkerungskreisen zusammen. Bilder aus der damaligen Zeit zeigen ein volles Bad mit vielen jungen Leuten auf der Liegewiese. Ein attraktiver Treffpunkt war geschaffen worden.

Zum Übergang ins Dritte Reich wurde dann das städtische Schwimm- und Luftkurbad mit einem markanten Eingang Ecke Bismarckstraße/Stadtpark angelegt. Das angeschlossene Haus am Park, in dem man essen konnte gibt es heute noch als gehobenes Speiserestaurant. Früher hieß es „Parkhaus“. In der Weimarer Republik wäre kaum jemand auf den Gedanken gekommen, dass in einem Parkhaus Autos gegen Gebühren abgestellt worden wären.

Das Gelände entlang der Bahnlinie zwischen heutiger Rathenaustraße und Dhünn nennen alte Leverkusener heute noch Lunapark. Ein Lunapark war in den zwanziger Jahren ein Gelände, auf dem die Kirmes und Volksfeste veranstaltet wurden, oder wo man sich zwecks gemeinsamer Freizeitgestaltung traf. Zur Erinnerung wurden dann Fotos an der Doktorsburg geschossen.

 
Video: Die Dhünn

Der Stadtpark und der Sportpark

Das Freibad, ca. 1934
Der Suppenteller

Der Kauf des Dhünngeländes durch die Gemeinde Wiesdorf von der Familie von Diergardt war Voraussetzung für die stadtplanerische Gestaltung der Auenlandschaft. Die mäandrierende Flusslandschaft der Dhünn wurde nun zur korrespondierenden Freizeit- und Erholungslandschaft der neuen Siedlungs- und Schulbaulandschaft umgestaltet. So ist Ende der 1920er Jahre der heutige schnurgerade Dhünn-Kanal mit hohen Deichen zum Hochwasserschutz angelegt worden. Zuvor umspülte der ursprüngliche Fluss die Doktorsburg, eine ehemalige Wasserburg. Mit der Verlegung des Flusses in den 20er Jahren um ca. 250 m an den heutigen Standort wurde endgültig eine völlig neue Landschaft geschaffen, in der Windungen des Flusses abgeschnitten und begradigt wurden.

Die Gestaltung des Flusslaufs wurde den Bedürfnissen einer wachsenden Stadt mit einem ebenfalls expandierenden Verkehrsnetz untergeordnet. Bereits 1845 entstand die Bahnbrücke der Düsseldorfer Strecke über die Dhünn. Für Automobile wurde im Jahr 1927 der Ausbau der Provinzialstraße nach Opladen mit Brücke über die Dhünn betrieben. Im Zuge der Dhünnverlegung an den heutigen Standort im Stadtpark erhielt der Fluss zum Schutz der teuren Straßen Flügelmauern und eine erhöhte Deichanlage mit einer Kronenbreite von 2 m, die später auf 4 m erhöht wurde. Auf den heutigen Deichen entlang der Dhünn befindet sich ein von Leverkusenern für den Spaziergang gern genutzter Promenadenweg mit Bäumen.

Die Doktorsburg

Die Doktorsburg
Sportunterweisung im Stadtpark für junge Männer und Frauen

Der Name geht auf den ehemaligen Besitzer, Dr. Jacob von Omphal, Kämmerer des Erzbistums Köln zurück, der 1540 das Grundstück erwarb. Die vor rund 1.000 Jahren gebaute Motte lag in der Flussgabelung von Dhünn und einmündendem Mutzbach. Die Architektur der Anlage war so ausgefeilt, dass sie mit den damaligen militärischen Mitteln kaum zu beschädigen war. Bei Angriffen flüchteten die Menschen in die steinernen Motten. Schutz suchte man nicht nur vor feindlichen, kriegerischen Heeren, sondern auch vor vagabundierendem Volk, welches insbesondere auf dem Weg zwischen Deutz und Düsseldorf unterwegs war.

Der Büchelter Hof befand sich dort, wo heute das Forum steht. Im 13. Jh. wurde dort ein Wassergraben von den Zisterziensern zur Betreibung einer Mühle angelegt. Bis in die zwanziger Jahre stand auf dem Gelände des heutigen Forums diese baufällige, in die Jahre gekommene Mühle. Hier mussten die bis in die zwanziger Jahre auf der unteren Hauptstraße ansässigen Bauern ihr Korn mahlen. Gleichfalls hatten sie hier ihren Zehnt aus der Landwirtschaft als Steuer abzuliefern.

Die Mühle am Büchelter Hof wurde bis zum ersten Quartal des 20. Jahrhunderts betrieben. 1910 ging das Anwesen der von Diergardts in den Besitz der Gemeinde Wiesdorf über. Das Herrenhaus der Doktorsburg wurde in heutiger Form renoviert, der baufällige Büchelter Hof mit Mühle 1935 abgerissen. Die Stadt Leverkusen legte im Zuge der Parkgestaltung die Außenanlage in heutiger Form an.

 
Video: Die Doktorsburg

Schulgebäude

Die Realschule hat Wilhelm Fähler noch im Stil der Wilhelminischen Bautradition mit rundem Treppenturmanbau und Klinkerdekor zur Verzierung des kostengünstigen Zweckbaus errichtet. Die offizielle Einweihung erfolgte Anfang Februar als der „feierliche Akt der Schlüsselübergabe vor dem Hauptportal des Mittelschulgebäudes im Beisein des gesamten Lehrkörpers und der zahlreich versammelten Ehrengäste.“ (Generalanzeiger für Wiesdorf, 12.02.1924)

Drei Jahre später wird in den Räumen des benachbarten Carl-Duisberg-Gymnasiums im Jahr 1927 ein Lyceum-Zweig für Mädchen eingerichtet, die abwertend titulierte „Hausfrauenklasse“. In diesem Mädchenzweig gab es gleichfalls Angebote im Maschinenschreiben und in Kurzschrift, um die Frauen für die Ausbildung in Büroberufen vorzubereiten. In diesen Fächern kooperierte die Schule mit Gewerbelehrern des gegenüber der Rathenaustraße angesiedelten Stenografenvereins.

Eine weitere Leverkusener Besonderheit war, dass die jungen Frauen bis zur Mittleren Reife auch naturwissenschaftlich unterrichtet wurden. Damals in der schulischen Bildungswelt ein Novum, für die Chemiestadt Wiesdorf jedoch sehr praktisch, da vorgebildete Arbeitskräfte rekrutiert werden konnten.

Mit der Stadtgründung von Leverkusen wurde 1930 wird aus der städtischen Mittelschule Wiesdorf die Mittelschule der Stadt Leverkusen. Aus dem Realschulzweig für Mädchen ist später das Lise-Meitner-Gymnasium hervorgegangen.

Die Realschule am Stadtpark

30-jähriges Schuljubiläum
Ein Zeugnis aus den ersten Jahren der Schule

1913 wurde in den Räumen der Evangelischen Knabenschule (heutige Musikschule) die Realschule mit dem Ziel gegründet „Sie will auf die Höhere Schule vorbereiten, soll aber auch eine Schule für die besonderen Erfordernisse des Mittelstandes (Handwerker, Handeltreibende), Mittlere Beamte im Staats- und Privatdienst sein.“ Zwei Lehrer übernahmen diese Aufgabe und mussten schon bald in den Krieg ziehen. Weibliche Lehrkräfte übernahmen die Unterrichtserteilung bis 1918. Im April 1919 verließen die ersten Schüler mit der Mittleren Reife die Schule.

Zu Beginn der Weimarer Republik wurden im Jahr 1922 neue kaufmännische und gewerbliche Fächer in den Lehrplan integriert: kaufmännische Buchführung, Maschinenschreiben, Kurzschrift, Holz- und Metallverarbeitung. Nachdem 1918 die Lehrerinnen ihre Arbeitsplätze räumen mussten kamen Frauen als Fachlehrerinnen fürs Maschinenschreiben und den Steno-Unterricht wieder zurück. Im Herbst 1923 erfolgt der Umzug in das neue Realschulgebäude am Stadtpark.

Das Carl-Duisberg-Realgymnasium

Uhrenturm Realschule / CD-Gymnasium
Ehemaliges CD-Gymnasium

Bereits 1920 reichte der Wiesdorfer Bürgermeister ein Gesuch zum Bau eines Jungengymnasiums in Berlin ein. 1926 wurde das Vorhaben konkreter. Ein Ausschuss reiste unter der Leitung des Architekten Wilhelm Fähler nach Holland, um sich bei dem Architekten Willem Marinus Dudok aus Hilversum über moderne Schulbauten zu informieren. Das Ergebnis: das 1928 errichtete Carl-Duisberg-Gymnasium, der erste Großbau Fählers. Durch seine sachliche Form, die flachen Dächer und eine Nutzung her abgeleitete Außengestaltung folgt er den neuen gestalterischen Prinzipien des Bauhauses und wandte sich vom Expressionismus ab, in dessen Stile er noch 1923/24 die benachbarte Mittelschule gestaltet hatte.

Quadratische und kubische Bauformen, in changierender Klinkerfassade sowie funktionale, sparsam verzierte Gliederungen prägen den L-förmigen Bau des Gymnasiums mit kleinfenstriger Fassade. Ein besonderes Detail ist der an dem Lehrerzimmer angebaute typische Bauhausbalkon, mit Blick auf den kompletten Schulhof.

Die parkseitige Rückfassade mit großzügig belichteten Fenstern bildet einen Kontrast zur Frontfassade. Der Uhrenturm, der Realschule und Gymnasium verbindet, erinnert an die holländische Bauweise Dudoks. Carl Duisberg weihte das Gymnasium persönlich ein.

 
Video: Das Carl-Duisberg Gymnasium

Ausbau des Schulwesens

Mit dem Ausbau des Schulwesens wurden wesentliche Grundsteine der Stadtentwicklung gelegt. Junge Männer mussten fürs Abitur nicht mehr nach Mülheim oder Opladen fahren. Junge Frauen waren mit einem qualifizierten Realschulabschluss in der Lage, qualifizierte Ausbildungsberufe zu erlernen. Reichsweit begann man in der Weimarer Republik, duale Ausbildungsordnungen zu entwickeln, die praktische und schulische Ausbildungsinhalte regelten, so dass Bildung nicht mehr das Privileg großer Städte bzw. finanziell wohl situierter Bevölkerungskreise blieb. Wiesdorf und ein paar Jahre später Leverkusen lag mit der neuen Schullandschaft voll im Trend der Reformbestrebungen der Weimarer Republik.

An dieser Entwicklung hatten die Sozialdemokraten gleichfalls wichtige Anteile. Bedürftige Kinder aus den kleinen Wohnungen der Neuenhofsiedlung, Kinder aus den Kolonien bekamen neue Bildungschancen eröffnet, die ihnen zuvor in der ständisch gegliederten wilhelminischen Gesellschaft verschlossen geblieben wären. Für eine Kleinstadt konnten junge Mädchen und Frauen vergleichsweise früh an diesem offenen Bildungstrend teilhaben. Aufstieg durch Bildung und Ausbildung bekam somit sehr früh in der kleinen Stadt am Rhein reale Konturen. Das machte die aufstrebende, aber chronisch klamme Stadt auch attraktiv für den Mittelstand, der nicht bei Bayer arbeitete: Ärzte, Lehrer, Architekten, Bauingenieure und Apotheker.

Wilhelm Fähler

Der 1889 in Offenbach bei Frankfurt geboren Architekt, kam nach einer Kriegsverletzung nach Wiesdorf, um im städtischen Bauamt zu arbeiten. Von 1917- 1922 bei der Stadt Wiesdorf angestellt, entwickelte er die konzeptionellen Pläne zur Gestaltung des Stadtzentrums und des Dhünnkanals mit angrenzendem Park und Erholungsgelände. Aus finanziellen Gründen wurde die Realisierung der letzten Projekte und die Weiterbeschäftigung des Architekten unmöglich. 1922 wagte Fähler den Sprung in die Selbständigkeit und begleitete als selbständiger Baumeister die Stadtentwicklung. Nach seinen Vorstellungen sollte die Dhünn ein schnurgerader, schiffbarer Kanal werden, den öffentliche Gebäude wie Schule, Krankenhaus, Museum und Parks säumen. Die Pläne waren visionär. Bei vielen späteren Bauvorhaben griff man in Leverkusen gerne wieder auf seine Konzepte zurück. Aber der Architekt hatte Pech, da die Stadtkassen zu seinen Lebzeiten meist chronisch klamm waren. Und so baute er auch Fabrikgebäude oder Privathäuser in Bürrig, Wiesdorf, Küppersteg und Manfort. Als der wirtschaftliche Aufschwung der jungen Bundesrepublik so richtig in Schwung kam, starb er 1953 durch einen tragischen Autounfall.

Fählers stadtplanerische und architektonische Spuren an der Dhünn lassen sich bis heute gut verfolgen. Zum Ende des ersten Weltkriegs entstand die Manforter Siedlung Heidehöhe, 1919 baute er die Siedlung Neuenhof in Küppersteg, 1923 entstand die Wiesdorfer Realschule mit Klinkerornamenten am Stadtpark, sowie 1926/ 27 das Carl-Duisberg-Gymnasium. Weitere markante Häuser des neuen sachlichen Backsteinstils befinden sich Ecke Rathenaustraße/ Haberlandstraße. 1957 entstand posthum sein letztes Gebäude, das evangelische Gemeindehaus in der Otto-Grimm-Straße.