Erholungshaus

Das Erholungshaus heute, 1908 errichtet, 1975 zum Teil abgebrannt

Das Erholungshaus für Arbeiter und Angestellte der Fima Bayer wurde 1908 als kulturelles Zentrum der „Wohnkolonie Anna“ feierlich eingeweiht. Das Gebäude selbst wurde für die multifunktionale Benutzung konzipiert. Ursprünglich gab es eine Turnhalle, eine Lesehalle und verschiedene Vortragsräume. Der große Saal konnte wahlweise für Tanzveranstaltungen, Konzerte, Vorträge oder Theateraufführungen genutzt werden.

Video: Das Erholungshaus

Wegbeschreibung

Fußgänger setzen die Route durch die Kolonien weiter fort, indem sie am Carl-Duisberg-Platz zunächst die Straße zurückgehen und dann die Emil-Fischer-Straße bis zur Nobelstraße laufen. Die Straße läuft spitz auf einen kleinen Platz mit einer säulenförmigen Skulptur, früher eine Brunnenfigur, die einen Vater mit Kind zeigt. Geschaffen wurde die Figur 1921 von dem Düsseldorfer Künstler Jobst Hammerschmidt. Wir folgen rechts der Nobelstraße in Richtung Erholungshaus.

Radfahrer (lange Runde): Für diejenigen, die eine lange Runde mit dem Rad fahren, bietet sich an, die Carl-Duisberg-Straße weiterzufahren und dann rechts in die Adolfsstraße Richtung Neulandpark einzubiegen.

Straßenkarte mit Wegeführung (Rot = Ziel)

Das Gebäude des Erholungshauses im Wandel der Zeit

Die Gaststätte im Erholungshaus
Veranstaltungsübersicht in „Die Erholung“

Das Erholungshaus für Arbeiter und Angestellte der Fima Bayer als kulturelles Zentrum der „Wohnkolonie Anna“ wurde 1908 feierlich eingeweiht. Bis heute ist das Haus mit einem hübsch verzierten Jugendstilgiebel ein Wahrzeichen der Stadt. Im großen Saal (800 Sitzplätze) veranstaltet Bayer bis heute kulturelle Veranstaltungen, Vorträge, Konzerte und Theateraufführungen. Vor dem ersten Weltkrieg wurde eigens ein Arbeiterrat eingerichtet, der für die Programmplanung und Kartenausgabe zuständig war. Das Angebot erfreute sich einer hohen Beliebtheit. Eine besondere Bedeutung für den Stadtteil hatte das Restaurant „Die Kulisse“ bis vor ca. 10 Jahren waren die Räumlichkeiten auch die zentrale Stadtteilkneipe, wo man sich traf und ein Bier gemeinsam miteinander trank. Familienfeiern, wie Hochzeiten, Taufen und runde Geburtstage wurden Gleichfalls in der Kulisse gefeiert.

In der Weimarer Republik war das Gebäude soziales Zentrum des geselligen Lebens der aufstrebenden Kleinstadt. Ein wesentlicher Grund hierfür, dass Bayer in der Weimarer Republik entschied, das Haus für alle Wiesdorfer Bürger zu öffnen. Zuvor war die Nutzung den Mitarbeitern der Bayer AG vorbehalten.

Das Programm wurde weiterhin von dem Arbeiterrat abgestimmt die Nutzer des Hauses kamen vielfach aus der neu gegründeten Vereinswelt, z. B. Sportvereine. Für Bayer Kultur war es zuweilen eine schwierige Aufgabe die zusammengewürfelte Arbeiterschaft an die Standards der bürgerlichen Kultur heranzuführen.

In den 70er Jahren brannte der Bühnentrackt des Gebäudes ab, so dass die Ausstattung in den Innenräumen heute modern ist. 1975 wurde das Bühnenhaus saniert und erweitert. In den 90er Jahren kam eine Galerie im Eingangsfoyer hinzu. Der Zuschauerraum, das Ausstellungs- sowie das Publikumsfoyer wurden 1997 umgebaut. Daher ist das heutige Gebäude des Erholungshauses ein anderes Gebäude als der damalige gesellige Mittelpunkt während der Weimarer Republik. Lediglich der linke Anbau, in dem das Restaurant Kulisse untergebracht ist, blieb von den Brandverwüstungen verschont und gibt einen authentischen Einblick in das damalige Leben.

Im Erholungshaus gab es einen Speisesaal und Räume, die auch für Feste und Tanzveranstaltungen genutzt werden konnten. Es spielten Orchester oder Grammophonplatten wurden aufgelegt.

Zeitzeugenbericht Hubert Havenith GESEHENES – GESCHEHENES
Handschriftliche Erinnerungen (aufgezeichnet 1949)

Carl Duisberg … dachte nicht nur an den äußeren Aufbau des Werkes, er bemühte sich auch um die sozialen und kulturellen Belange seiner Belegschaft. Er wusste, dass ein Mensch mit geistigen Interessen auch ein besserer Arbeiter ist, der in seiner Freizeit einen wohltuenden Ausgleich seines anstrengenden Tagewerkes sucht und erfrischt an die Arbeit zurückkehrt. So kann man denn mit Recht sagen, dass die Kulturgeschichte unserer Stadt mit Carl Duisberg begann. Die erste Voraussetzung einer praktischen Kulturpflege war die Errichtung des Erholungshauses. Inmitten der mit schmucken Gärten ausgestatteten Koloniehäuser erhob sich der mächtige Bau, dessen Name seinen Zweck hinreichend erläutert. Der große Konzertsaal mit seiner Bühne bot Gelegenheit zu musikalischen und theatralischen Aufführungen für die zahlreichen Werksvereine: das Blasorchester, das Streichorchester, den Männergesangverein und die dramatische Vereinigung (das heutige „Kleine Theater“), die Turn- und Sportvereine. Mehrere kleine Säle bieten Gelegenheit zu Proben und Versammlungen. Die vielseitigen kulturellen Einrichtungen hatten mit der Zeit eine solche Ausdehnung angenommen, dass zu ihrer Steuerung ein Mann erforderlich wurde, der musikalisch und literarisch gut vorgebildet war und als Organisator und Improvisator sich bewähren konnte. Eine solche Kraft fand die Werksleitung in Dr. Hugo Caspari. Ihm oblag die Betreuung der Orchester und des Männergesangvereins sowie der dramatischen Vereinigung, der Auf- und Ausbau der Werksbücherei; er führte die zahlreichen in- und ausländischen Besucher durch das Werk; kurzum, er stand bereit für jede Aufgabe, die sich für eine Repräsentation des Betriebe stellte.

Die eingesessenen Bewohner der Altstadt standen den Zugezogenen und dem Betrieb auf dem Kahlberg vielfach misstrauisch gegenüber. Es kam hinzu, dass die sogenannte Kolonie, die von der Fabrik durch die Düsseldorfer Straße getrennt ist, fast ausschließlich von Akademikern bewohnt war, während die in Wiesdorf gelegenen Wohnstätten den Arbeitern und Angestellten vorbehalten blieben. Die auf diese Weise aufgerichtete gesellschaftliche Scheidewand wirkte sich auch auf dem kulturellen Gebiet aus. Es war nicht immer leicht, die Herrschaften „von oben“ ins Erholungshaus zu bekommen. Sie fanden in ihren exklusiven Kasino-Konzerten ihr Genüge, für weitergehende Wünsche und Ansprüche standen in Köln das Opernhaus und der Gürzenich zur Verfügung. Noch ein anderer Umstand mag die Unterbewertung der Veranstaltungen des Erholungshauses begünstigt haben. In jener Zeit betrug der Eintrittspreis dieser Veranstaltungen nur 30 Pfennig. Die Werksleitung, welche die erheblichen Fehlbeträge zu decken hatte, wollte auch dem letzten Arbeiter die Möglichkeit bieten, an Darbietungen teilzunehmen, deren künstlerische Höhe Dr. Caspari durch Heranziehung erster auswärtiger Kräfte sicherstellte.

Trotzdem war es besonders an Wochentagen manchmal schwierig, den Saal zu füllen, denn der Entschluss, ein Konzert zu besuchen, resultiert ja nicht ausschließlich aus finanziellen Erwägungen, sondern setzt auch einen gewissen Kulturwillen voraus, der damals in Wiesdorf noch selten war oder in andere Richtung verlief…

Neben den Konzerten der genannten Werksvereine veranstaltete Dr. Caspari von Zeit zu Zeit Gastkonzerte auswärtiger Künstler. Diese Abende trugen dazu bei, das Gesamtniveau der Erholungshaus-Veranstaltungen zu heben und das Wiesdorfer Publikum allmählich an anspruchsvollere Kost zu gewöhnen, ein Publikum, dem die allerersten Begriffe für ein „gesittetes“ Benehmen im Konzertsaal noch weitgehend fehlte. Geräuschvolles Auspacken des mitgebrachten Proviants, deplatzierte Bemerkungen, unmotiviertes Kichern störten die Darbietungen auf dem Podium und die Andacht ernsthafter Besucher oft erheblich. Jedes Programm der damaligen Zeit enthielt auf der ersten Seite in Fettdruck die Bitte, nicht zu rauchen. Trotzdem stieg. bald hier, bald da ein gewaltiger Rauchpils in die Höhe als Protest gleichsam von Anhängern der Bierkonzerte, die von den Gewohnheiten der „guten alten Zeit“ nicht lassen mochten.

Nach Beendigung des Krieges fielen manche gesellschaftliche Schranken, und das gilt auch für Wiesdorf. Das wichtigste Ereignis im kulturellen Sektor war die Eröffnung des Erholungshauses für alle kulturellen Veranstaltungen, also auch für diejenigen, die nicht durch die Bayerwerke organisiert waren. Das war ein gewaltiger Schritt vorwärts im Öffentlichen Musikleben unserer Stadt. Die Gesangvereine erhielten endlich einen würdigen Konzertsaal. Umgekehrt wurden sie angespornt, in der Aufstellung und Durchführung ihrer Programme sich dieser Kulturstätte anzupassen. Die gemütlichen Konzerte alten Stils vor Tischen und mit Alkohol verschwanden mit einem Schlage. Die volle Aufmerksamkeit der Zuhörer in den Stuhlreihen konzentrierte sich auf die Leistungen, welche auf dem Podium geboten wurden. Die Urteilsfreudigkeit wuchs mit der Urteilsfähigkeit, und minderwertige Leistungen waren bald nicht mehr möglich.

 
Video: Doris, die Künstlerin

Geselligkeit, Tanzen, Kennenlernen

Schallplatte 20er Jahre
Grammophon

Pinnwand: Geschichten, die auf Stadtspaziergängen erzählt wurden
Wie die Großeltern sich kennengelernt haben

„Mein Opa wohne im Ledigenheim für junge Männer, meine Oma durchlief die Ausbildung zum Dienstmädchen im Mädchenwohnheim. Beim Tanztee lernten sie sich kennen. Als Oma bei vornehmen Leuten in Stellung war, wurde sie schwanger, Man heiratete und bewarb sich für eine Wohnung in den Kolonien.“

„Meine Oma arbeitete 1918 als Tipperin für Lebensmittellisten im Rathaus. Als die „Verordnung zur Freimachung von Arbeitsplätzen“ proklamiert wurde, kam ein junger Mann ein ehemaliger Soldat und wurde an Omas Arbeitsplatz gesetzt, das war mein Opa. Oma ging trotz Verordnung ins Büro und kämpfte um ihren Arbeitsplatz. Der Amtsleiter sah sich im Dilemma, da der junge Mann nicht tippen konnte, und Oma eine geübte Tipperin war. Die beiden begriffen schnell dass es am besten sei sich zu arrangieren. So schlugen sie dem Amtsleiter vor zu zweit auf zwei Stühlen am selben Schreibtisch zu arbeiten und die Arbeitsberge gemeinsam zu erledigen. Einige Zeit gab Opa Oma etwas von seinem Lohn ab, bis sie wieder eingestellt wurde. In der Zwischenzeit hatten sich die beiden verliebt.“

„Wir wohnen in der Beamtensiedlung. Das Haus war eigentlich zu groß für den beruflichen Status des Vaters. So quartierte die Wohnungsverwaltung zwei Sekretärinnen aus dem Werk in unserem Haus mit ein. Eine im Parterre und eine in den Dachzimmern. Das Bad und die Toilette teilten die Frauen mit unserer Familie. Die Eltern waren glücklich ein komfortables Haus zugeteilt bekommen zu haben, aber die Sekretärinnen waren ein kleiner Wermutstropfen. Mein Vater wusste sich allerdings zu helfen: Immer, wenn ein junger aufstrebender Mitarbeiter im Werk aufkreuzte, lud er den jungen Mann ein. Die Sekretärinnen wurden stets vorgestellt und gelegentlich zum gemeinsamen Getränk gebeten. Schließlich klappte es. Die eine Sekretärin heiratete einen jungen Mann, den Vater ihr vorgestellt hatte. Vater bekam nach dem Auszug ein Arbeitszimmer.“